Der Widerspruch

Tag XX, Monat XX, im Jahre des Herrn‚ Two thousand and ten (2010)

Unser Protagonist kommt an einem frühen Winterabend, nach einem langen Büroalltag nach Hause. Er fischt in seinem Briefkasten im Hausflur herum und findet dort ein Schreiben seiner Krankenkasse. Er öffnet dieses und erfährt während des Treppenaufstiegs:

„Unsere Anfrage zur freiwilligen Organspende.
Rufen Sie ..
oder senden Sie das Schreiben…“

Überfliegt unser Protagonist flüchtig das Schriftstück.
Er ist bereits von diesen drei einleitenden Zeilen genervt und zerknüllt das Stück Papier. Er spricht laut aus, was er denkt.

„Ich brauche keinen Organspender Ausweis!“.

Einen Augenblick später ist der Protagonist in seiner Wohnung und wirft zielsicher die Papierkugel mit dem Schreiben der Krankenkasse in die gegenüberliegende Ecke, genau in den Papierkorb.

DO O O N NN N G G G GG

Und nun die Tagesthemen.

Deutschland
In 24 deutschen Transplantationszentren sind Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Spenderorganen an potenziell wartende Patienten bekannt geworden. Darunter die Charité in Berlin sowie Zentren in Münster, Göttingen, München, Isar und Leipzig. Auch weniger namhafte Zentren sind von dem Skandal betroffen. Die Überwachungskommission, welche die transplantierbaren Organe verwaltet, um wartende Patienten mit Organen zu versorgen, hat dabei nach eigenen Angaben bisher keine Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe feststellen können.

Bei den beschuldigten Medizinern, die in den Zentren beschäftigt sind, sollen keine Gelder geflossen sein um vermögende Patienten die auf Spenderorgane warten, zu bevorzugen.

Niedersachsen
Bei einem Fußballspiel sind gewaltbereite Hooligans …

Von all den negativen Nachrichten gelangweilt, gähnt unser Protagonist noch etwas vor sich hin, bevor er sein TV Empfänger ausschaltet und ins Bett geht.

Ein lautes rhythmisches fiepen ist irgendwo zu hören.
Unser Protagonist tastet unbeholfen auf dem Nachttisch herum, findet seinen Wecker und schaltet diesen aus.

Nach den üblichen Morgenritualen, wie Morgenwäsche und anschließendem Frühstückchen, verlässt unser Protagonist das Haus.
Der Protagonist steigt in seinen 800PS starken 500.000 N€uronen günstigen 24 Karat Gold folierten Lamborghini. Die Farbe ist exzellent gewählt, spiegelt und leuchtet auch in der Dunkelheit hellauf. Überhaupt ist das Fahrzeug ein Hingucker. Es hat keine visuelle Verbindung noch irgendeine Ähnlichkeit, welche an Goldglanz oder dreiste Bankster erinnern dürfte; aber die gewählte Farbe fällt allemal auf.

Unser Protagonist dreht endlich den Zündschlüssel herum, tritt das Gaspedal mehrmals kurz durch um sich an dem Geräusch seines aufheulenden 800 PS Starken Motors zu erfreuen.

BROAAMM.. BROOAAAMMM… BROOOAAAAMMMM

Er sieht beim Einstellen des Sitzes und des Pedalabstandes im Rückspiegel und beim Rundumblick durch die Scheiben, während der Motor aufheult, wie einige in der Nähe verweilende Fußgänger und Passanten von dem Motorengeheul zusammenschrecken, ungläubig umherschauen, um sodann ihr geschäftiges treiben fortzusetzen.
Im Rückspiegel erspäht unser Protagonist eine dunkle Abgaswolke, die sich durch einen im Fahrzeug unspürbaren Windstoß, in „nichts“ auflöst.

„200 KM“. Denkt sich unser Protagonist.
Er ist heute etwas spät dran, wenn es gut läuft, so wünscht er sich, erreicht er in 30 Minuten das Büro.

Während der rasanten und oftmals bis um die 300 KM/h schnellen Fahrt über Landstraßen und Autobahnen, muss unser Protagonist oftmals die Fahrspuren wechseln. Für seine freie Fahrt als freier Bürger kommt auch die einfach zu erreichende Lichthupe und die Lautstarke aufgemotzte „Zerstörer“ Sirene zum Einsatz.
Diese ist in Deutschland verboten und kann von unserem Protagonisten nur eingesetzt werden, wenn das Auge des Gesetzes gerade wegsieht.
Im Falle er jemals angehalten werden würde, dient ein geheimer Schalter unter seinem Fahrersitz zum Wechsel auf die in Deutschland „legale“ Hupe für anstehende Hupkonzerte im Stau. Ansonsten ist diese „Zerstörer“ Sirene der absolute Straßenfeger. Jeder und alles was das Geräusch vernimmt, macht mit weit offen staunendem Mund, Platz.


Die rasante morgendliche Bürofahrt hat unser Protagonist wie jeden morgen zu seiner Zufriedenheit zügig hinter sich gebracht.

Einige Jahre sind durch das deutsche Autofahrerland gezogen.
So ist unsere gemeinsame Zeit bis in etwa gegen Ende des Jahres 2018 vorangeschritten.

Ein hier namentlich ungenannter Antagonist von den „Cyberkriminellen Dementen Unsympathen“, proklamiert öffentlich eine Widerspruchslösung zur Organspende. Das soll bedeuten, dass jede Frau und jeder Mann, die/der zu Lebzeiten keinen Widerspruch gegen eine Organspende eingelegt hat, und keinen Organspender Ausweis bei sich führt, soll zum potenziellen Ersatzteilspender werden. Eine bis heute ungenannte Liste, die als Ersatzteillager Verzeichnis für heutige Mediziner verfügbar sein soll, entfällt.

Wenige Monate später reiht sich ein weiterer Antagonist in den Reigen der Organspende Befürworter ein, der die „Stupiden Pietätlosen Dementen“ vertritt und eine ethische Verpflichtung herbei fabuliert, die jede und jeden zum Organspender mache, wenn dieser zu Lebzeiten keinen Widerspruch einlege. Auch ohne Organspender Ausweis.
In 20 EU Staaten sei diese Regelung bereits umgesetzt und Deutschland bilde das Schlusslicht in der Organspendenregelung.

Alldieweil ist die Regelung für menschliche Ersatzteile, mit einer abgeordneten Minderheit, wie üblich, während einer Fußball-WM, im Bundestag beschlossen worden.

Die Widersprüche gegen die Menschenfleischindustrie sind enorm, während das Geschäft mit Organen floriert.
Beim Inkrafttreten der Widerspruchslösung ist das mehrfach redundante Datenbank gestützte Zentrale Melderegister mehrfach abgestürzt und war viele Wochen offline. Die Meldestelle hat immer wieder mit Verfügbarkeitsausfällen zu kämpfen. Die miserabel ausgebaute Netzinfrastruktur, die von der Regierung seit 2004 gewollt, alternativlos ist, trägt erheblich zu diesem Missstand bei.

Anstelle eines Anstiegs der zu erwartenden Organspender in Millionenhöhe, hat sich das Blatt dahingehend gewendet, dass auch mehrere frühere Organspender Ihre bereits erteilte Einwilligung wieder zurückgezogen haben. Mehr als 99,75% der Bundesbürger haben Widerspruch eingelegt, um sich gegen eine herbei fabulierte Ethik zu stellen, dass jede und jeden als Zwangsersatzteillager vorsieht.

Wir verlassen das Vorspiel und vergessen die eben genannten Antagonisten und kehren zurück zu unserem Protagonisten.

Ein weiterer Morgen mit herrlich himmelblauem wolkenlosem und sonnigem Himmel. Die 4 Auspuffrohre röhren. Wie jeden Morgen zucken anwesende Passanten von dem überirdischen Geräusch des aufheulenden Motors zusammen.
Auf der Autobahn erreicht unser Dumm-Dumm Geschoss gelegentlich, annähernd die 300 KM/h. Die Tachonadel ist immer noch weit vom Anschlag entfernt.
Im angeschalteten Autoradio erfährt unser Protagonist, dass ab 2024 alle Fahrzeuge eine automatische Geschwindigkeitsbeschränkung auf Minimum 120KM/h erhalten sollen.

„Dann sind 800 PS für die Katz. Scheiß Polit…“

Schießt unserem Protagonisten noch durch den Kopf, als alles verselbstständigt, blitzschnell und unumkehrbar abläuft.
Warnblinker kommen in hohem Tempo auf ihn zu.
Unser Protagonist sieht bereits stehende Fahrzeuge, wie diese versuchen eine Rettungsgasse zu bilden.
Zum Bremsen ist es bereits zu spät. Unser Protagonist versucht dennoch die Bremse voll durchzudrücken.
Dadurch schiebt sich unser Protagonist fest in seinen Fahrersitz hinein. Seine Arme sind durchgestreckt, um einen möglichen Aufprall abzufangen. Nahezu ungebremst rast unser Protagonist auf eines der Fahrzeuge, welches das Ende der Rettungsgasse bildet, zu.
Dabei touchiert unser Protagonist mit seinem 24Karat Gold folierten Fahrzeug und weit überhöhtem Tempo den rechten Kotflügel, an einem der bereits stehenden Fahrzeuge. Ein Kurzschluss im Motorblock lässt selbstständig die illegale Zerstörer Sirene des Lamborghini aufheulen:

W U U I I I I I I I I I I II I I … W U I .. W U U U I I I II I I I I I I I

Die sogenannte Knautschzone des Lamborghini wird soweit ins Fahrzeuginnere verschoben, dass die ausgestreckten Arme unseres Protagonisten mit einem Schlag aus der Schulter gestoßen werden und mit einem lauten „Krckk“, brechen beide Arme in der Elle.
Durch den Aufprall werden außerdem die Pedale soweit in das Fahrzeuginnere gepresst, dass beide Beine mit einem wahrnehmbaren „Knack“ auseinander bersten und aus der Hüfte herausspringen. Die Bremsen versagen weiterhin ihre Wirkung. Das Lenkrad hat durch den komprimierten Motorblock im Fahrzeuginneren den Kopf und Brustkorb unseres Protagonisten bereits in mehrere Teile zerrissen. Das Gehirn unseres Protagonisten fließt aus sämtlichen Sollbruchstellen seines Schädels. Der zu Erkennende brüchige Rest des Sicherheitsglases der Windschutzscheibe ist Blutrot gefärbt. Das Hinterteil des Fahrzeugs zieht nach links, wird von einem links stehenden Fahrzeug angehoben, sodass der Lamborghini sich mehrfach überschlägt und auf die Gegenfahrbahn der Autobahn schleudert, um dort sein Unwesen weiterzutreiben.
Schaulustige Autofahrer, die auf der Gegenfahrbahn etwas langsamer fahren, um etwas von dem zuvor geschehenen Unfall zu erhaschen, sind nun selbst Opfer eines irrsinnigen Fahrers.

Ein älteres Fahrzeug, das von einer schwangeren Frau gelenkt worden ist, wird in der Mitte auseinander gerissen und vollständig zerstört. Die Frau verliert mit ihrem ungeborenen Kind ihr Leben. Eine Radkappe, die mit rasendem Tempo wie eine Frisbee Scheibe herumfliegt, durchschlägt die Seitenfenster eines am Unfall unbeteiligten Fahrzeugs und enthauptet nebenbei den Fahrer nebst Beifahrerin. Mehrere weitere Automobillenkende Antagonisten verlieren auf der Gegenfahrbahn ebenfalls ihr Leben bevor der zur Hälfte zusammengepresste 24Karat Gold folierte Lamborghini Schrott nach mehreren hundert Metern Freiflug auf der Gegenfahrbahn zum Stehen kommt.

Die Zerstörer Sirene ist stumm.
Der Lamborghini, hinterlässt eine Spur der Verwüstung auf dem Asphalt. Wenn dort jemand zugegen wäre, könnte dieser das von der Sonne angetrocknete Blut, gemischt mit dem Geruch von verdunstendem Benzin und dem Schmorgeruch von qualmenden Reifen wahrnehmen.
Hilferufe, Röcheln und Schmerzensschreie sowie Kindergeheul und ein undefinierbares Zischen von irgendwoher, zerreißen die gespenstische Stille.

Unser Protagonist hat uns verlassen und wir versuchen die bisher geschehenen grässlichen Details zu vergessen.

In einem mehrere Kilometer entfernten Notfallaufnahmezentrum mit angeschlossenen Rettungseinsatzwagen, tritt ein anderer Protagonist an die Stelle des zuvor verstorbenen.

Er trägt die für einen Mediziner typische weiße Arbeitskleidung.
Ein Stethoskop hängt ihm um den Hals.
Nennen wir ihn der Einfachheit halber „Notarzt“.
Er ist gerade im Begriff seine Visite zu gehen, als ihm der Oberarzt mit einer für Halbgötter in Weiß typischen Begrüßungsfloskel entgegenkommt:

„Na, heute schon Deine Hände in Blut gewaschen?“

Beide lachen. „Nee noch nicht, aber was nicht ist, kann noch…“

Ein Notruf erreicht in dem Moment die Zentrale.
Ein Mitarbeiter der Lebensrettungsgesellschaft nimmt den Notruf entgegen. Der Telefonassistent notiert routiniert, gelassen und gewissenhaft die Einzelheiten auf einem dafür vorgesehenen Vordruck. Ein kürzerer Dialog zwischen Telefonassistent und Telefonhörer scheint weitere wichtige Details für den Unfallbericht hervorzubringen, mit denen der Bericht vervollständigt wird.

„Schnell, schnell“. Ruft ihm einer der anderen leitenden Halbgötter in Weiß hinterher. „Dein Einsatz. Heute gibt es Innereien und Mett zum Zusammenkratzen vom Asphalt. Wenn die Sonne richtig auf die Straße brennt, ist das Fleisch vielleicht schon gar. Wenn Du Glück hast, gibt es auch gegrilltes..“

„Sag das nicht so laut.“ Ruft unser Protagonist, der eilenden Schrittes in die entgegengesetzte Richtung unterwegs ist, und ergänzt, „Die Mittagspause ist heute garantiert futsch.“

Von einem Papierstapel, der am Tresen vor dem Angestellten liegt, der die eingehenden Notfälle aufnimmt, greift sich unser Halbgott in Weiß den aktuellsten Zettel.
Während dem Lauf zum Einsatzwagen liest unser Held in Weiß die eingegangenen Informationen:

„Mehrere Tote, darunter ein ungeborenes Kind, mit vielen Schwerverletzten. Das Auge des Gesetzes ist bereits informiert und vor Ort. Das THW und die Feuerwehr sind angefordert worden um mit schwerem Rettungs- und Schneidegerät verletzte Personen zu bergen.
Mehrere Rettungswagen mit Notfallärzten sind angefordert und auf dem Weg zum Einsatzort.
Die digitalen Funkgeräte laufen heiß und allerhand Informationen werden von den Unfallermittlern an die Lebensretter ausgetauscht. So ist zu erfahren, dass ein Kühltransporter der Überwachungsorganisation für transplantierbare Organe unterwegs ist und die Unfallstelle von Rettungskräften bereits mit intransparenten Kunststoffplanen vor Gaffern abgeschirmt wurde.
Updates zum Katastrophennotfall folgen“.

„Ui Ui Ui“ Denkt sich unser Protagonist. „Was eine Verschwendung von Leben am frühen Morgen“. Unser Protagonist in Weiß nimmt den Funksprecher an sich und fragt nach den Namen von bereits am Unfallort verblichenen sowie nach möglicherweise vorhandenen Organspender Ausweisen.

Er erhält ein paar Namen, die von einer Liste über den Bord Computer abgeglichen werden können. Bisher noch kein Organspender denkt sich unser Halbgott in Weiß und grinst vom Fahrer unbemerkt in seinen fehlenden Bart.

Unser Protagonist in Weiß fischt in seinem Arbeitsmantel nach dem Smartphone und gibt seinen geheimen Code zur Aktivierung des Telefons ein.
Eine APP, die jeder Notarzt aufrufen kann, der mit Opfern von verunfallten Einzelteil Lieferanten zu tun hat, kommt zum Einsatz.

Unser Held in Weiß aus dem Team Lebenserhaltung liest auf einer Darknet Seite für Frischfleisch.

Nieren – heute – 20.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt
Herzen – heute – 50.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt
Lungenflügel – heute – 10.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt
Mägen – heute – 5.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt
Gebärmütter – heute – 5.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt
Hoden – heute – 2.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt (pro Stück)
Dünn Darmteile – heute – 1.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt (Meterweise)
Dick Darmteile – heute – 1.500 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt (Meterweise)
Finger – heute – 1.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt (pro Stück)
Zehen – heute – 1.000 – N€uronen – Ankauf unbegrenzt (pro Stück)
Knochenmark – heute – 25.000 – N€uronen – Ankauf (passende Empfänger warten)
Kopfhaut – heute – 500 – N€uronen – Ankauf pro cm2
Achselhaut – heute – 500 – N€uronen – Ankauf pro cm2
Blut – heute – 500 – N€uronen – Ankauf Literweise nur passende Blutgruppen
Hornhaut (Augen) – heute – 10.000 – N€uronen – Ankauf Paarweise und Einzeln
Föten – heute – 20.000 – N€uronen – Ankauf pro Stück (Dermatologie Institute warten)

Rufen Sie uns für weitere Informationen heute noch an und profitieren Sie von unserem Bonussystem!

Liest unser Protagonist und denkt so bei sich.
„Mal sehen mit wie vielen bekannten Notärzten ich heute teilen muss.
Wenn ich früh genug am Unfallort eintreffe, bin ich der Chef Hehler unter den Fleischermeistern“.

„Jalla“
Herrscht unser Held, seinen Fahrer, über die linke Schulter blickend an.

„Jalla, wir dürfen keine Zeit verlieren! Zeit rettet Leben, Zeit ist BlingBling!
Aber fahr nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann“.

Der Fahrende Antagonist wirft einen kurzen ungläubigen Blick dem Halbgott in Weiß entgegen und tritt auf das unter seiner Kontrolle stehende Gaspedal.

„Zu spät schon Tot, Zu spät schon Tot“

Singt lautstark das Martinshorn, während die Botschaft in den weiten des Raumes verhallt.

Unser fahrender Antagonist steuert sein Rettungsfahrzeug durch die Kilometerlange, dilettantisch vorbereitete Rettungsgasse. Einige Fahrer versuchen immer noch ernsthaft ihren Blechschrott sicher abzustellen. Immer mehr Blaulichtfahrzeuge kommen unseren beiden Insassen entgegen.
Die Gaffer unfreundliche Zeltstadt ist bereits zu sehen und der Fahrer sucht sich seinen freien Platz in mitten der unordentlich abgestellten und verunfallten Fahrzeuge.
Eine Blau-Schwarz-Weiße Nummer rennt beidarmig winkend auf das Rettungsfahrzeug zu. Die beiden Rettungswagen Insassen wissen, dass das keine Begrüßung sein kann und auch keine Aufforderung ist, das Fahrzeug woanders zu parken.

Unser Held in Weiß betätigt den Kippschalter an der Beifahrertür, um die Fensterscheibe herunterzulassen.

„Fahrt ihr schon wieder blau, Jungs? Die Zeit drängt.

Hören die beiden Insassen von unserem Blau-Schwarz-Weissen Nummernträger.

„Ja, wie immer, wenn wir unterwegs sind. Und aus welchem Grund die Eile?“
Fragt unser Halbgott in Weiß grinsend zurück.

Er vernimmt einige Wortfetzen, wie Tote, Schwerverletzte und schnell, kommen sie. Die Heck Klapptüren sowie die rechtsseitige Schiebetür des Rettungsfahrzeuges wurden bereits vom Fahrer geöffnet. Unser Held in Weiß entnimmt dem Fahrzeug seinen Notfall Werkzeugkasten.

„Bin ich der einzige?“,
stellt unser Halbgott in Weiß als taktische Frage an die Schwarz- Blau-Weisse Nummer zurück.

„Nnn.. Nein, sie sind einer unter ein paar anderen“.

„Namen?“
Will unser Halbgott in Weiß in Erfahrung bringen.

„Von wem jetzt“? Entgegnet ihm unsere Blau-Schwarz-Weisse Nummer.
„Den toten Organspendern, den Schwerverletzten oder ihren Kollegen?“.

„Den Kollegen Mann, den Kollegen. Verschonen sie mich mit Einzelheiten, über die ich mir selbst einen Überblick verschaffen muss“.

„Keine Ahnung, wer alles da ist. Die üblichen Verdächtigen und die eine oder der andere neue. Könnten aber auch Sanitäter sein. Man kann euch so schlecht unterscheiden, ohne Nummer.“

„Ha Ha Ha, der war gut“. Witzelt es aus unserem Helden in Weiß heraus.

„Wo sind denn nun die ersten Opfer?“ Will unser Halbgott in Weiß wissen und folgt der Schwarz-Blau-Weissen Nummer durch ein gekonnt aufgestelltes Labyrinth aus grünen Kunststoffplanen.

Man könnte fast meinen, wenn man selbst darin stehen würde, dass dadurch eine nahezu sterile Atmosphäre geschaffen werden soll. Unser Halbgott in Weiß sieht sich zügig in alle Richtungen um und läuft schnurstracks zu einem am Boden liegenden, zuckenden Körper.

Er fühlt am Hals, des Opfers, ob dort noch Pulsschlag zu spüren ist.

„Puls ist noch zu fühlen. Aber sehr, sehr schwach. Lebenserhaltende Maßnahmen wären viel zu kostspielig. Der merkt eh kaum noch was. Der ist mit seinen körpereigenen Endorphinen viel zu beschäftigt, um noch Schmerzen zu fühlen“.

Auf einer zuvor geöffneten Seite seines Smartphones markiert er mit einem „X“ in einer Liste, „X – Opfer 1 – tot – Organspender Fragezeichen?“. Blut fließt aus weit auseinander klaffenden Wunden. Keine Wundklammern könnten dieses Durcheinander noch irgendwie zusammen halten.

„Kühltasche, Sanitäter, KÜHLTASCHE“.

Ruft unser Halbgott in Weiß so, dass sein Assistent ihn hört. Er greift in seiner Werkzeugkiste nach einem Skalpell. Mit flinken, sicheren Schnitten, Schnipp Schnapp sind Herz-, Nieren- und Lebensdrähte ab. Etwas Blut spritzt noch aus ein paar hin und her zuckenden Adern. Ein paar Tropfen Blut bilden rote Punkte auf der sonst so weißen Arbeitskluft. Ein paar Arterien Klemmen stoppen den unkontrollierten Blutfluss aus den Organen.
Er denkt sich beim einzelnen Verpacken der Ware, dass aus dem Leichnam noch mehr herauszuholen wäre, doch auf entbeinen, nur wegen des Knochenmarks, hat er heute keine Lust.
Die entnommenen Ersatzteile finden ihren Platz in dafür speziell entwickelten Zip Beuteln. Unser Protagonist stapelt die Beutel sorgfältig in die bereitgestellte Kühltasche hinein. Ein letzter Blick auf den toten wähnt unseren Halbgott in Weiß in Sicherheit, alles brauchbare entnommen zu haben.

„Einen Leichensack“, raunzt er einen umher stehenden Ersthelfer an.

„Verpacken sie zügig den unverwertbaren Rest. Um den können sich die Bestattungsinstitute kümmern. Die haben bessere Möglichkeiten die Schandtaten kosmetisch zu verbergen als ausgerechnet hier auf dem Schlachtfeld.“

Unser Protagonist grummelt für den fahrenden Antagonisten hörbar, ob es endlich Zugriff auf die Spenderdatenbank gibt.

„Ich versuche es sofort nochmal. Bisher gibt es Zugriffsprobleme übers Netz“.
Entgegnet ihm der Sanitäter, der zurück zu seinem abgestellten Fahrzeug eilt.

„Verdammt!“ Flucht unser Halbgott in Weiß und sieht sich verstohlen um, nur um sicherzugehen, dass ihn niemand gehört hat. Dabei streift sein Blick auf eine Bahre auf der die verstorbene Schwangere ihren Platz gefunden hat. Flinken Schrittes eilt unser Held in Weiß auf die Bahre zu.

„Auf Lebenszeichen zu prüfen kann ich mir hier sparen, so wie die zugerichtet worden ist, zertrümmerter Schädel und Torso“, denkt sich unser Halbgott in Weiß und bringt mit blitzendem Skalpell einen letzten rettenden Kaiserschnitt an dem nahezu unversehrten Unterkörper an. Ein letzter Versuch, in der Hoffnung das Kind vielleicht doch noch retten zu können.

„Uiii .. Schau mal. 2 Kilo Hack. Der kleine Bastard hat bestimmt keinen Spenderausweis. Wie denn auch. Der ist vor dem Gesetz so oder so unmündig und wird seine Stimme nie erheben können. Schade, 6. oder 7. Monat. Nicht mehr zu retten. Welch ein Glückstag für die Dermatologie“

Auch der Fötus findet in einem Zip Beutel seinen Platz zwischen den untypisch, mehrfach vorhandenen und ungeordneten Organen in der Kühltasche. Weitere Schnitte entfernen die noch intakten Nieren und, Meterweise Darm.
Das Herz sowie die beiden Lungenflügel sind unbrauchbar.
Zum Entbeinen, wegen des Knochenmarks hat unser Held in Weiß wieder keine Lust.

„Bis jetzt gibt es gut BlingBling“.

Nebenbei gleicht unser Halbgott in Weiß seine Liste ab „X – Opfer 2 – tot – Organspender Fragezeichen?, X – Opfer 3 (Fötus) – tot – Organspender Fragezeichen?

Ein in der Nähe anwesender Rettungshelfer muss sich wegen des Anblicks übergeben. Unser Halbgott in Weiß veranlasst selbiges Verhalten, dem Ersthelfer mitzuteilen, dass es nie gut wäre sich das letzte Essen ein zweites Mal durch den Kopf gehen zu lassen.
Unser Protagonist erblickt zwei Bahren in der Nähe und eilt dort hin. Die beiden müssen tot sein, denn die Schädel sind dilettantisch an der Tragbare neben den Toten abgelegt. Die Köpfe könnten jedoch auch Eigenleben entwickelt haben, um sich zu verselbstständigen.

„Wie kann es passieren, dass man so seinen Kopf verliert?“, fragt unser Protagonist einen herumstehenden Ersthelfer. Dieser teilt ihm die Einzelheiten mit. Eine wohl in sehr hohem Tempo umherfliegende Radkappe hat die Seitenfenster eines Fahrzeugs durchschlagen, um die beiden Insassen durch Enthauptung aus ihrem Leben heraus in den Tod zu befördern.

„Sei es drum“, sagt unser Protagonist und sieht sich an, was entnommen werden kann. Dabei gleicht er seine Liste auf dem Smartphone ab „X – Opfer 4 – tot – Organspender Fragezeichen?, X – Opfer 5 – tot – Organspender Fragezeichen?

„Organspenderausweis?

„Bisher keine gefunden. Sorry, Die Meldestelle ist immer noch offline!“

„Jedes Mal das Gleiche Dilettantische … ,
ich sollte mal mit dieser beschissenen Meldestelle …,
ich wette, dass der Zugriff wie üblich erst wieder funktioniert, wenn hier der ganze Spuk vorbei ist.

Unser Protagonist kniet sich zu den beiden Schädeln nieder und sieht mit fachmännisch, medizinischem Profi Blick fest in die verblassenden Augen. Er entscheidet sich fix dazu, die Augäpfel zu entfernen. Hornhaut hat sich zu einer weiteren begehrten Nachschubanfrage gemausert. Von den beiden Kopflosen Körpern werden die üblichen, unversehrten Innereien entnommen und in die Kühltaschen hinein, verpackt.

„Ich bin hier fertig. Sanitäter? Zwei weitere Fälle für den Bestatter. Wegpacken“.

Die Notfallversorgung für Überlebende bei Unfällen oder Katastrophen ist sehr gut.
Andere Mediziner die sich in dem provisorischen Camp aufhalten oder hinzugekommen sind, werden an Schwerverletzte zugewiesen. Die Sanitäter holen Tragbaren weise die Verletzten an ihre Rettungswagen heran. Ärzte in den Fahrzeugen retten, was noch zu retten ist oder entnehmen, was noch halbwegs brauchbar erscheint“.

Viele Stunden später wurde das Notfall Camp abgebaut und entsorgt. Die Aufräumtruppe der Feuerwehr, den Männern, die immer kommen und den Helfern vom THW ist es zu verdanken, dass der Autobahnabschnitt aussieht wie geleckt, als ob dort nie etwas so furchtbares geschehen könnte.

Insgesamt 13 Tote. Weitere 26 schweben in Lebensgefahr, 39 Schwerverletzte und 42 Leichtverletzte, zeigt die Tagesbilanz dieser Katastrophe an.

04.06.2019

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